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Flickr Wehmut flickr-wehmut
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photography
essay
2018-11-27T20:48:00+01:00 marvin true

Ich musste mich heute durch meine eigene Flickr Timeline wühlen. Ich habe winterliche Fotos gesucht. Sie sollen Teil eines Titelbildes eines lokalen Gemeindebriefes werden. Gerade erst vor ein paar Tagen habe ich mir einige Gedanken gemacht. Und denke ich an das Internet vor ca. 10 Jahren fühle ich etwas Sanftes, Warmes in den Tiefen meiner Eingeweide. Diese 10 Jahre sind dabei eine völlig frei justierbare Größe. Ein frei gefühlter Zeitpunkt an dem immer Alles besser war. Vor dem Jetzt, tief in dieser "guten Zeit" dachte man an den Gewinn des Netzes. Informationen würden alles verändern. Unser Verstand würde sich auf einem Weg in die Informations-Transzendenz bewegen. Konstant aber ohne halt zu machen. Das Wohl, das Aufbrechen von, sich im Kreis bewegenden, Armutsstrukturen, Krieg liegt an dem Fluß der Daten. Für einen kurzen Zeitraum loderte dieser Hippietraum auf. Ich glaubte an das Internet und das Internet machte mir Spaß, brachte mir Freunde und Liebe. Wenn man Utopie schon nicht auf den Rücken der Menschen bauen kann, dann doch vielleicht auf wenige dieser die an die Technik glauben. Alles eigenes Gewäsch. Hinter diesem Wunsch verbargen sich aber Kleinigkeiten, Momente, Gegebenheiten, die mich näher mit Anderen zusammenbrachten. Und wenn es nur um Fans einer trashigen Teenager Scifi-Sendung ging. Ich bloggte auf Livejournal. In einem maximal schlechten Englisch zusammen, in tiefster Emotion, zusammen geschrieben. Es waren kleine Ausbrüche, die Welt teilhaben zu lassen. Etwas Demütiges und gleichzeitig bis auf die Spitze Überschätzendes. Ich verfasste sie in meinem schlechten Englisch. Ich war trotzdem stolz, ich traute mich, trotz des Wissens nur peinlich zu berühren. Selbst Freunde lachten und ich ließ es sterben. Mit Livejournal auch der Wunsch schreiben zu können. Ich startete immer mal wieder kleine Blogs, versuchte mich an Technik und Popkultur. Die nicht vorhandene Tiefe ließ mich unter dem Radar weit fliegen. Ich machte alles nur noch als eigenes Journal, ohne Erwartungen.

Als ich anfing zu fotografieren, suchte ich Inspiration. Es war ja nur etwas was der Saturn mir für mein kleines Geld offerierte. Ich fand flickr. Stellte fleißig Bilder meine Waldspaziergänge rein, ohne Rücksicht auf Verluste. Komposition oder goldener Schnitt waren mir fremd, also einfach gerade drauf halten. Wird schon etwas dabei sein. Ich klickte durch die öffentlichen Streams von flickr. Suchte Bilder, Motive die mir gefallen. Ich favorisierte vor allem Portraits. Mir erschien es unmöglich zu porträtieren, in der Lage zu sein jemanden nach den Bruchteil seiner Sekunden zu fragen, sie fest zuhalten mit meinem Auslöser. Zuviel menschliche Interaktion, zuviel Zugeständnisse an die Schönheit von Personen. Wälder, Bäume, Gräser sind da ganz anders und die Scham geht unter ihnen wunderschön unter. Ihr wunderbaren Opfer. Ich dachte die Blässe in meinen Bildern könne ich mit teurerer Technik ausgleichen. Ich brauchte nur eine digitale Spiegelreflexkamera, und nichts wäre so wie vorher. Was ein Trugschluß. Aber da war sie nun: eine Nikon D60. Ich kaufte mir Objektive, Fernauslöser und Blitze. Machte die Experimente die Alle machen, Langzeit und das Leuchten von Taschenlampen, Skylines und Panoramas von Städten. Ein Freund erzählte mir von seiner Liebe zur analogen Fotografie. Das er sie aus Kostengründen aufgab und ihm seine digitale Spiegelreflexkamera nicht erfüllt wie seine einst so große Passion. Mir vielen auf flickr diese schwarz weiß Bilder auf, quadratisch, ihre Ecken vergingen in einem Schimmer.

Fotos brauchten keine Sprache neben der Bildlichen.

Ich scrollte durch die Flickr Timeline, über 10 Jahre sind nur ein paar Klicks auf die nächst höhere Zahl entfernt.