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Title: Die Dekonstruktion der Wand des Ruhms
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Date: 2018-02-21 15:05
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Date: 2018-05-30 20:13
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Slug: die-dekonstruktion-der-wand-des-ruhms
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Tags: graffiti, wolfsburg, essay
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Status: draft
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Veränderung ist unaufhaltbar, Es schmerzt und die Realisierung davon ist Teil des Erwachsenseins. Ein gelebter Stumpfsinn, nicht mehr das auf der Haut kleben zu haben was dort einmal war. Die Teenagerjahre, Hormone, alles intensiver wahrzunehmen. Nichts scheint ohne Grund in diese Welt, diese Stadt, materialisiert worden zu sein. Jede Stumpfheit des Lichts scheint in sommerlichen Nächten nur für einen selber, für seine Sehnsüchte, die Person die neben einem sitzt, oder es eben nicht, weil sie nichts von einem weiss. Seiner Stadt die Liebe zu erweisen die sie sonst nicht hat, das Auszudrücken in purem Vandalismus und doch nicht mutig genug alle Wände voll zu malen. Aber es gab da diese eine Wand. Schicht und Schicht wächst sich aus sich selber heraus. Lack wächst und wächst, bis das eigene Gewicht es zum Einsturz bringt.
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*Dieser Text war seit Februar in meinem Editor offen. Der Abriss der Hall of Fame in der Wolfsburger Dieselstraße und meiner Empathie ihr gegenüber, jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit, ließ mich daran zurück denken, was ich dort einst erlebt hatte. Ich sehe jeden Tag die Veränderungen in dieser Stadt und frage mich was Stein und Beton mit einem einem Gefühl von Zuhause gemein hat. Oft sind es genau diese leblosen Materialen, die einen umarmen wenn es kein Anderer tut.*
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Mit 13-14 Jahren waren die Wände dieser Stadt Leinwände, bunt, voll mit Zeichnungen, jeder Strich schien seinen Weg vorbestimmt abzuschreiten. Ich versuchte mit meinem Nacken die Geschwindigkeit des Autos meiner Eltern in der Fahrtrichtung auszugleichen, wie einzelnen Bestandteile eines Zoopraxikops, die Bilder zu erspähen, etwas zu erkennen, einzuordnen wer dahinter stehen könnte, Orte im Kopf zu sammeln an denen ich neues entdecken konnte oder die alleinige Wiederholung des Betrachtens zu genießen. In meinem Zimmer fuhr ich die Tags mit meiner imaginären Sprühdose vor meinem inneren Auge immer wieder ab, die Bilder so bunt wie die Bilder eines Kindes.
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![Dekonstruktion]({filename}/images/hall_of_fame.jpg)
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In einer Jugendgruppe lernte ich einen Jungen kennen. Er war 6-7 Jahre älter als ich. Er schien so unerreichbar für mich, das was er auf seinen T-Shirts trug, die Musik die er spielte und die kleinen Zeichnungen nach denen jedes Kind fragte, ließen ihn für mich auf steigen, die Bewunderung und Faszination war nicht mehr unterdrückbar. Unerklärlich das ich ihn eines Winters mal besuchte, ich meine Scham vor Menschen überwinden konnte. Ich spielte Schlagzeug und über diese Tatsache verließ ich seine Wohnung mit einem Rucksack voller CD's, alles was ihm wichtig erschien, alles was es braucht um seine Adoleszens zu überleben. Wir fingen an Musik zu machen, jeden Samstag morgen fuhr ich mit meinem Fahrrad durch den Schnee zum Proberaum. Aus dem Inhalt der CD's, dem gesagten und seiner Vision versuchte ich alles in das Schlagzeug zu hämmern was ich zu bieten hatte. Manchmal nahmen wir diese Stücke auch auf. Schrieben welche für Freunde von uns, bemalten die Papiereinlagen der Kasettenhüllen. Jeden Freitag gab es ein Treffen in einem Nebengebäude der Kirche. Wir hörten CD's, aus unseren vollgepackten Rucksäcken, eine Auswahl nur für diesen Abend, lagen auf den Sofas und schoben uns Skizzen über den Holztisch. Er zeigte mir, dass die Schatten meiner Buchstaben falsch waren. Ich nahm Platz neben ihm in seinem silbernen Golf 1, einen Discman, gelagert auf Schockabsorbierenden Schaumstoff, per Audiowandler-Kasette angeschloßen, die Musik laut, sein Fahrstil zackig den Punkrythmen, dem Schreien der Stimmen. Wir fuhren fast jeden Tag zur Hall of Fame. Diese einige Meter lange Wand in der Dieselstraße, als Teil des Aussenmauern einer Jugendwerkstatt. Auf der anderen Seite eingezäunte Müllwagen. Dort wo sich kaum einer stören konnte wenn wir Löcher in die leeren Sprühdosen schlugen, das Zischen der letzten Wolken Aerosol für das Fertigen eines Bildes uns mit stolz erfüllte. Wir parsten die Bilder beim vorbeifahren, fuhren langsam, drehten um, hielten an. Malten wir selber, verkühlten wir unsere Handflächen, im Winter, am Aluminium der Dosen. Jeden Tag der selbe Ablauf, nichts zählte an diesen Tagen mehr als diese sich wiederholenden Runden in das Industriegebiet, hinten in der Stadt. Zuhause bezeichnete ich Papier um Papier, Linie für Linie, kopierte meine Idole, erreichte sie niemals, war stolz aber nicht zufrieden. Die Second-Outlines varierten zu stark in dem inneren Abstand zu ihren bewegungsbestimmenden Linienlettern und die Fluchtpunkte der angedeuteten Schatten versagten regelmäßig. Ich denke meine Frustration über meine Unfähigkeit verblasste, sobald ich an dieser Mauer stand, zitternd, Musik die aus den runtergekurbelten Fenstern dieses silbernen Autos schallte, mein Freund neben mir, Zettel mit der Skizze in der Hand, und kein Auge für die Propertionen bei der Übertragung vom Papier auf eine Wand, auf die oberste Lackschicht von hunderten zuvor geopferten Leichen. Am Ende ein Beweisfoto, der Duft des Treibmittels überlebte den Rest des Tages in unserer Kleidung. Die Musik schien jetzt noch lauter. Abends dann noch eine Runde zur Wand, überprüfen ob das Bild den Tag überlebt hatte.
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Veränderung ist unaufhaltbar, sie schmerzt und die Realisierung davon ist Teil des Erwachsenseins. Ein gelebter Stumpfsinn, nicht mehr das auf der Haut kleben zu haben was dort einmal war. Die Teenagerjahre, Hormone, alles intensiver wahrzunehmen. Nichts scheint ohne Grund in diese Welt, dieser Stadt, materialisiert worden zu sein. Jede Stumpfheit des Lichts scheint in sommerlichen Nächten nur für einen selber, für seine Sehnsüchte, die Person die neben einem sitzt, oder es eben nicht, weil sie nichts von einem weiss. Seiner Stadt die Liebe zu erweisen, die sie sonst nicht hat, das Auszudrücken in purem Vandalismus und doch nicht mutig genug alle Wände voll zu malen. Aber es gab da diese eine Wand. Schicht und Schicht wächst sich aus sich selber heraus. Lack wächst und wächst, bis das eigene Gewicht sie zum Einsturz bringt.
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Meine Fähigkeiten gingen immer mehr in dem Talent der Anderen unter. Ich war stolz auf sie, trotzdem gebrochen von meiner Talentlosigkeit. Eine Zugehörigkeit heilt die eigene Unsicherheit. Ich betrat jeden Wochentag den Eingang meiner Schule und die Ignorierung meiner war mir auf einmal egal. In Freistunden nahm ich den Weg zu Fuß auf mich, setzte mich nur wenige Minuten auf die Kante gegenüber, verfolgte die Linien mit meinen Augen, sammelte Eindrücke zur Führung des Fineliners auf dem Papier. Wenn man sich nicht traut nachts in schwarzen Kapuzenpullovern durch die Straßen der Stadt zu ziehen, den Rucksack gefüllt mit Dosen, die extra großen, Silber das überall deckt, Schwarz eigentlich zum Lackierung der Autounterböden, die Ruhe zwischen den Schichten im Werk und dem Schlaf des größten Teils der Bevölkerung, bleiben diese Gänge kurz vor dem Einschlafen durch die Gedanken ein Ausleben der Mitgliedschaft einer Geheimgesellschaft. Es sind Markierungen, Zeichen an der Wand und welche die sie zu schätzen wissen, projizieren eine völlig neue Ebene über dieser Stadt. Plötzlich scheinen die Wände Silber und für mich das bunteste Bunt.
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Mit 13-14 Jahren waren die Wände dieser Stadt Leinwände, bunt, voll mit Zeichnungen, jeder Strich schien seinen Weg vorbestimmt abzuschreiten. Ich versuchte mit meinem Nacken die Geschwindigkeit des Autos meiner Eltern, in der Fahrtrichtung auszugleichen, wie einzelnen Bestandteile eines Zoopraxikops, die Bilder zu erspähen, etwas zu erkennen, einzuordnen wer dahinter stehen könnte, Orte im Kopf zu sammeln an denen ich neues entdecken konnte oder die alleinige Wiederholung des Betrachtens zu genießen. In meinem Zimmer fuhr ich die Tags mit meiner imaginären Sprühdose vor meinem inneren Auge immer wieder ab, die Bilder so bunt wie die Bilder im Kopf eines heranwachsenen Kindes.
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Eines Nachts, die Sterne schienen breit und die zwei Straßenlampen wurden kaum gebraucht, die runde Mond als überirdischer Strahler, standen wir mit einer Palette von abgelaufenden Flaschen oranger Abdeckfarbe vor der Wand. Erst schauten wir uns an, blickten für einen Moment auf die bunte Wand vor uns, wanderten mit den Augen die zu malernden Meter an. V grinste und wir legten los. Nur eine Leiter für die Hälfte der gesammten Wand. V markierte die Mitte mit einem Strich, gezogen mit der Stirnseite einer, mit Farbe bekleckerten, Farbrolle. Das Ende sollte das Ende der Wand sein. V stieg als erstes auf die Leiter und ich füllte die untere Hälfte mit dem Orange. Die hintere Hälfte war der bessere Teil der Mauer. Vorne erzeugten die Bilder die größte Kredibilität, um so mehr schichtete die Jagd danach Schicht um Schicht Lack übereinenander, bis die kleinsten Schläge auf ihr große Stücke heraus brechen ließ. Die Stücke der Wand in den Tälern der Löcher, saugen den Lack schneller auf, als die wenigen Zentimeter Erhöhungen die sie umgeben. Dies erschwert sauber gezogenene Linien, geführt unter dem Druck unserer Daumen. Der hintere Teil wechselte seine Bilder nicht so oft, er war stets reserviert für ANUBIS und OMY. Bis zum Abriss waren immer wieder neue Bilder der Beiden zu sehen. Für Stunden tropfte unsere Farbe von den Rollen, auf dem Weg von Farbflaschen zur Wand, verwandelten die Straße in Drip-Art eines weniger ambitionierten Jackson Pollock Gemäldes. Farbspritzer auf dem Versuch Sprühdosen waagerecht zum Boden gerichtet, einen Namen auf ihr zu hinterlassen. Unsere orange Wand war wie die Grundierung eines frisch bespannten Keilramens. Es machte mich stolz Grundierer zu sein. Bei Sonnenaufgang würden die Menschen erscheinen, die ich so bewundere, die ich mich nie traute anzusprechen wenn man sie in großem Zufall malend an der Wand sah. Bei denen ich angewiesen war , dass sie meine Passivität nicht zu sehr abschreckte. Stunden vergingen und man konnte den Sonnenaufgang deutlich durch den Farbnebel riechen. Meter um Meter hatten wir nun eingefärbt. V nahm eine schwarze Dose aus seinem Kofferraum, schritt den lachsfarbenden Teil der Mauer ab, bezeichnete die Teilstücke mit den namen die sich die Menschen selber gaben, Namen die nach gestalterischen Möglichkeiten der einzelnen Buchstaben ausgewählt wurden waren. Jeder bekam einige Meter. Alles war vorbereitet.
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In einer Jugendgruppe lernte ich einen Jungen kennen. "V". Er war 6-7 Jahre älter als ich. Er schien so unerreichbar für mich, das was er auf seinen T-Shirts trug, die Musik die er spielte und die kleinen Zeichnungen nach denen jedes Kind fragte, ließen ihn für mich aufsteigen, die Bewunderung und Faszination war nicht mehr zurück zu halten. Unerklärlich, dass ich ihn eines Winters mal besuchte, ich meine Scham vor Menschen überwinden konnte. Ich spielte Schlagzeug und über diese Tatsache verließ ich seine Wohnung mit einem Rucksack voller CD's, alles was ihm wichtig erschien, alles was es braucht um seine Adoleszens zu überleben. Es waren Hausaufgaben. Wir fingen an Musik zu machen, jeden Samstag morgen fuhr ich mit meinem Fahrrad, durch den Schnee, zum Proberaum. Aus dem Inhalt der CD's, dem Gesagten und seiner Vision versuchte ich alles in das Schlagzeug zu hämmern was meine mickrigen Arme an Kraft heraufbeschwören konnten. Manchmal nahmen wir diese Stücke auf. Schrieben welche für Freunde von uns, bemalten die Papiereinlagen der Kasettenhüllen.
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Der Tag begann und V holte mich ab. Ich konnte mir nicht viele verschiedene Farben leisten, so hatte ich drei Farben und das was ich aus Resten, abgelegte Dosen der Anderen, zusammen schnorren konnte. Zu verschiedensten Zeitpunkten kamen die verschiedensten Menschen, malten, fuhren wieder, kamen wieder, reagierten auf das was zwischendurch entstanden war. Es war ein Straßenfest. Und diese kleine Straße, abgezweigt vom Lärm der Industrie war unsere. Die Musik war laut, ich bebte, beeindruckter von dem was entstand und nicht von dem was ich selber geleistet hatte. Dies war der große goldenen Pott voll mit buntem Gold welches man DIY nannte. Ich ging immer wieder ein paar Meter zurück, lehnte mich an die Mauer gegenüber, verschränkte meine Arme und beobachtete die Maler auf ihren Leitern, an der Wand. KEAS malte den Schriftzug "ZLATKO". Es war der Sommer der ersten Big Brother Staffel. Es wurde durch die blaue Stunde hindurch gemalt, bis jeder Schimmer von violett gewichen war. Zu dunkel um jedes Piece zu fotografieren.
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Jeden Freitag gab es ein Treffen in einem Nebengebäude der Kirche. Wir hörten CD's, aus unseren vollgepackten Rucksäcken, eine Auswahl nur für diesen Abend, lagen auf den Sofas und schoben uns Skizzen über den Holztisch. Er zeigte mir, dass die Schatten meiner Buchstaben falsch waren. Ich nahm Platz neben ihm in seinem silbernen Golf 1, einen Discman, gelagert auf schockabsorbierenden Schaumstoff, per Audiowandler-Kasette angeschloßen, die Musik laut, sein Fahrstil zackig den Punkrythmen, dem Schreien der Stimmen. Wir fuhren fast jeden Tag zur Hall of Fame. Diese einige Meter lange Wand in der Dieselstraße, als Teil des Aussenmauern einer Jugendwerkstatt. Auf der anderen Seite eingezäunte Müllwagen. Dort wo sich kaum einer stören konnte wenn wir Löcher in die leeren Sprühdosen schlugen, das Zischen der letzten Wolken Aerosol für das Fertigen eines Bildes uns mit stolz erfüllte. Wir parsten die Bilder beim vorbeifahren, fuhren langsam, drehten um, hielten an. Malten wir selber, verkühlten wir unsere Handflächen, im Winter, am Aluminium der Dosen. Jeden Tag der selbe Ablauf, nichts zählte an diesen Tagen mehr als diese sich wiederholenden Runden in das Industriegebiet, weit hinten in der Stadt. Zuhause bezeichnete ich Papier um Papier, Linie für Linie, kopierte meine Idole, erreichte sie niemals, war stolz aber nicht zufrieden. Die Second-Outlines varierten zu stark in dem inneren Abstand zu ihren bewegungsbestimmenden Linienlettern und die Fluchtpunkte der angedeuteten Schatten versagten regelmäßig. Ich denke meine Frustration über meine Unfähigkeit verblasste, sobald ich an dieser Mauer stand, zitternd, Musik die aus den runtergekurbelten Fenstern dieses silbernen Autos schallte, mein Freund neben mir, Zettel mit der Skizze in der Hand, und kein Auge für die Propertionen bei der Übertragung vom Papier auf eine Wand, auf die oberste Lackschicht von hunderten zuvor geopferten Leichen. Am Ende ein Beweisfoto, der Duft des Treibmittels überlebte den Rest des Tages in unserer Kleidung. Die Musik schien jetzt noch lauter. Abends dann noch eine Runde zur Wand, überprüfen ob das Bild den Rest des Tages überlebt hatte.
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Wir fuhren so früh wie wir konnten los. V und ich, meine Digitalkamera. Die Sonne stand perfekt. Wenn keine Fotos existieren würden, wäre nichts was wir die letzten Tage geplant und gemalt hatten nicht dokumentiert, nicht existent, nur noch eine Erzählung, ein eigener kleiner Mythos, nichts wert. Jahre würden vergehen und fast 20 Jahre später ist man sich selber nicht mehr sicher ob diese Bilder jemals gemalt wurden waren. An der Wand sahen wir das wir nicht die Letzten am letzten Abend gewesen waren. Die Bilder eines bestimmten Malers wurden alle übermalt. Auswüchse eines Konflikts dem wir nichts entgegenzusetzen hatten. Die Arbeit war nicht mehr die selbe vom Tag davor. Die Wand war befleckt worden, so wie jedes mal zuvor, von uns, von vielen anderen, dafür wurde sie errichtet und freigegeben. Ich fotografierte trotzdem, baute später aus den neuen Fotos und Schnappschüssen vom Tag davor eine komplette Ansicht. Dies war der Kreislauf von errichten und abreissen. Ich konnte mich dem nicht entziehen, etwas Einzigartiges nur durch meine Partizipation, sonst war es genau das was an dieser Wand passierte, Tag für Tag, Wochenende zu Wochenende. Und es war gut wie es war. Ein Ort um sich aus zu toben, erstmal keine Gesetze brechen zu müssen.
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Meine Fähigkeiten gingen immer mehr in dem Talent der Anderen unter. Ich war stolz auf sie, trotzdem gebrochen von meiner Talentlosigkeit. Eine Zugehörigkeit heilt die eigene Unsicherheit. Ich betrat jeden Wochentag den Eingang meiner Schule und die Ignorierung meiner war mir auf einmal egal. In Freistunden nahm ich den Weg zu Fuß auf mich, setzte mich nur wenige Minuten auf die Kante gegenüber der Wand, verfolgte die Linien mit meinen Augen, sammelte Eindrücke zur Führung des Fineliners auf dem Papier. Wenn man sich nicht traut Nachts in schwarzen Kapuzenpullovern durch die Straßen der Stadt zu ziehen, den Rucksack gefüllt mit Dosen, die extra großen, Silber das überall deckt, Schwarz eigentlich zum Lackierung der Autounterböden, die Ruhe zwischen den Schichten im Werk und dem Schlaf der Bevölkerung, bleiben diese Gänge kurz vor dem Einschlafen durch die Gedanken ein Ausleben der Mitgliedschaft einer Geheimgesellschaft. Es sind Markierungen, Zeichen an der Wand und welche die sie zu schätzen wissen, projizieren eine völlig neue Ebene über dieser Stadt. Plötzlich scheinen die Wände Silber und für mich im buntesten Bunt.
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Es war Heiligabend und der Spätgottesdienst war zu ende. Wir schloßen uns in unseren Jugendraum ein. Unausgesprochen hielten wir Geschenke von unserem Oberkörper weg. Eins für jeden Freund. Das erste mal Geschenke an Personen die man liebt, ohne ein Band des Blutes um die Kehle geschlungen zu haben. Dies war eine wunderbare Pflicht des nicht alleine seins. Meine Umhängetasche war gefüllt und ich beschloss alleine durch den Schnee nach Hause zu gehen. Die Flockenpartikel wuschen das Schwarze hinweg. Jede Kleinstquelle von Licht reflektierte das Weiß in der Luft. Ich liebe das Knacken unter meinen Füßen. Kurz vor der Haustür traf ich S. Ganz gekleidet in schwarz, Windbraker, Hose und Mütze. Geschultert eine Tasche die sonst in dieser Stadt eher für die Schichtarbeiter bekannt ist. Ein Zufall will es das darin perfekt 3 extra große Dosen Chrome und eine gefüllt mit schwarz-matt passen. Wir gingen ein paar wenige Meter, hielten unter einer Straßenlampe. Während ich im Gottesdienst saß, den ewig gleichen Weihnachtsliedern zuhörte, war es seine Ruhe und Besinnlichkeit nach der er diesen Abend suchte. Es war die Ruhe auf den Straßen, Familien weggesperrt in den Wohnzimmern zur Bescherrung, Kinder niedergelassen in ihren Bettchen. S ging raus und malte ein oder zwei Bilder. Nichts was besonders spektakulär wäre, keine Inszenierung. Es war die Nacht, das Geräusch von Schnee was ihn in die Nacht hinaus führte. Ich verstand ihn. Mich verließen niemals meine Gedanken an seine Motivation, das was er hinterließ sah ich täglich auf dem Weg zur Schule, nach all den Jahren immer noch auf dem Weg ins Büro.
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Eines Nachts, die Sterne schienen breit und die zwei Straßenlampen wurden kaum gebraucht, die runde Mond als überirdischer Strahler, standen wir mit einer Palette von abgelaufenden Flaschen oranger Abdeckfarbe vor der Wand. Erst schauten wir uns an, blickten für einen Moment auf die bunte Wand vor uns, wanderten mit den Augen die zu malernden Meter an. "V" grinste und wir legten los. Nur eine Leiter für die Hälfte der gesammten Wand. "V" markierte die Mitte mit einem Strich, gezogen mit der Stirnseite einer, mit Farbe bekleckerten, Farbrolle. "V" stieg als erstes auf die Leiter und ich füllte die untere Hälfte mit dem Orange. Die hintere Hälfte war der bessere Teil der Mauer. Vorne erzeugten die Bilder die größte Kredibilität, um so mehr schichtete die Jagd danach Schicht um Schicht Lack übereinenander, bis die kleinsten Schläge auf ihr große Stücke heraus brechen ließ. Die Stücke der Wand in den Tälern der Löcher, saugen den Lack schneller auf, als die wenigen Zentimeter Erhöhungen die sie umgeben. Dies erschwert sauber gezogenene Linien, geführt unter dem Druck unserer Daumen. Der hintere Teil wechselte seine Bilder nicht so oft, er war stets reserviert für ANUBIS und OMY. Bis zum Abriss waren immer wieder neue Bilder der Beiden zu sehen. Für Stunden tropfte unsere Farbe von den Rollen, auf dem Weg von Farbflaschen zur Wand, verwandelten die Straße in Drip-Art eines weniger ambitionierten Jackson Pollock Gemäldes. Farbspritzer auf dem Versuch Sprühdosen waagerecht zum Boden gerichtet, einen Namen auf ihr zu hinterlassen. Unsere orange Wand war wie die Grundierung eines frisch bespannten Keilramens. Es machte mich stolz Grundierer zu sein. Bei Sonnenaufgang würden die Menschen erscheinen, die ich so bewundere, die ich mich nie traute anzusprechen wenn man sie in großem Zufall malend an der Wand sah. Bei denen ich angewiesen war, dass sie meine Passivität nicht zu sehr abschreckte. Stunden vergingen und man konnte den Sonnenaufgang deutlich durch den Farbnebel riechen. Meter um Meter hatten wir nun eingefärbt. "V" nahm eine schwarze Dose aus seinem Kofferraum, schritt den lachsfarbenden Teil der Mauer ab, bezeichnete die Teilstücke mit den Namen die sich die Menschen selber gaben, Namen die nach gestalterischen Möglichkeiten der einzelnen Buchstaben ausgewählt wurden waren. Jeder bekam einige Meter. Alles war vorbereitet.
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Der Tag begann und "V" holte mich ab. Ich konnte mir nicht viele verschiedene Farben leisten, so hatte ich drei Farben und das was ich aus Resten, abgelegte Dosen der Anderen, zusammen schnorren konnte. Zu verschiedensten Zeitpunkten kamen die verschiedensten Menschen, malten, fuhren wieder, kamen wieder, reagierten auf das was zwischendurch entstanden war. Es war ein Straßenfest. Und diese kleine Straße, abgezweigt vom Lärm der Industrie, war unsere. Die Musik war laut, ich bebte, beeindruckter von dem was entstand und nicht von dem was ich selber geleistet hatte. Dies war der große goldenen Pott voll mit buntem Gold welches man "DIY" nannte. Ich ging immer wieder ein paar Meter zurück, lehnte mich an die Mauer gegenüber, verschränkte meine Arme und beobachtete die Maler auf ihren Leitern, an der Wand. KEAS malte den Schriftzug "ZLATKO". Es war der Sommer der ersten Big Brother Staffel. Es wurde durch die blaue Stunde hindurch gemalt, bis jeder Schimmer von violett gewichen war. Zu dunkel um jedes Wort zu fotografieren.
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Wir fuhren so früh wie wir konnten los. "V" und ich, meine Digitalkamera. Die Sonne stand perfekt. Wenn keine Fotos existieren würden, wäre nichts was wir die letzten Tage geplant und gemalt hatten, nicht dokumentiert, nicht existent, nur noch eine Erzählung, ein eigener kleiner Mythos, nichts von Wert. Jahre würden vergehen und fast 20 Jahre später ist man sich selber nicht mehr sicher ob diese Bilder jemals gemalt wurden waren. An der Wand sahen wir, dass wir nicht die Letzten am Abend gewesen waren. Die Bilder eines bestimmten Malers wurden alle übermalt. Auswüchse eines Konflikts dem wir nichts entgegenzusetzen hatten. Die Arbeit war nicht mehr die selbe vom Tag davor. Die Wand war befleckt worden, so wie jedes mal zuvor, von uns, von vielen anderen, dafür wurde sie errichtet und von der Stadt geduldet. Ich fotografierte trotzdem, baute später aus den neuen Fotos und Schnappschüssen vom Tag davor eine komplette Ansicht. Dies war der Kreislauf von Errichtung und Abriss. Ich konnte mich dem nicht entziehen, etwas Einzigartiges nur durch meine Partizipation, sonst war es genau das was an dieser Wand passierte, Tag für Tag, Wochenende zu Wochenende. Und es war gut wie es war. Ein Ort um sich aus zu probieren, erstmal keine Gesetze brechen zu müssen.
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Es war Heiligabend und der Spätgottesdienst war zu ende. Wir schloßen uns in unseren Jugendraum ein. Unausgesprochen hielten wir Geschenke von unserem Oberkörper weg. Eins für jeden Freund. Das erste mal Geschenke an Personen die man liebt, ohne ein Band des Blutes um die Kehle geschlungen zu haben. Dies war eine wunderbare Pflicht des nicht alleine seins. Meine Umhängetasche war gefüllt und ich beschloss alleine durch den Schnee nach Hause zu gehen. Die Flockenpartikel wuschen das Schwarze hinweg. Jede Kleinstquelle von Licht reflektierte das Weiß in der Luft. Ich liebe das Knacken unter meinen Füßen. Kurz vor der Haustür traf ich "S". Ganz gekleidet in schwarz, Windbraker, Hose und Mütze. Geschultert eine Tasche die sonst in dieser Stadt eher für die Schichtarbeiter bekannt ist. Ein Zufall will es das darin perfekt 3 extra große Dosen Chrome und eine gefüllt mit schwarz-matt passen. Wir gingen ein paar wenige Meter, hielten unter einer Straßenlampe. Während ich im Gottesdienst saß, den ewig gleichen Weihnachtsliedern zuhörte, war es seine Ruhe und Besinnlichkeit nach der er diesen Abend suchte. Es war die Ruhe auf den Straßen, Familien weg gesperrt in den Wohnzimmern zur Bescherung, Kinder niedergelassen in ihren Bettchen. "S" ging raus und malte ein oder zwei Bilder. Nichts was besonders spektakulär wäre, keine Inszenierung. Es war die Nacht, das Geräusch von Schnee was ihn in die Nacht hinaus führte. Ich verstand ihn. Mich verließen niemals meine Gedanken an seine Motivation, das was er hinterließ sah ich täglich auf dem Weg zur Schule, nach all den Jahren immer noch auf dem Weg ins Büro.
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Ich bin erwachsen, sträube mich jeden Tag und ergebe mich dem Fakt im nächsten Moment wieder. Ich fahre auf meinem Fahrrad durch die Straßen dieser Stadt und halte Ausschau nach den Bildern die mir so viel bedeuten. Es sind nicht viele mehr übrig. Irgendwann kamen die großen Farbspritzpistolen, durch riesige Kompressoren angetrieben, mit weißer Farbe gefüllt und zerstörten diese Bilder. Ich habe Angst ihre Linien mehr und mehr zu vermissen. Die Tags von MET, MOX, 3PS, die kleinen Throw Ups verblassen mehr und mehr. Aus dem Inneren heraus zerfällt ihre Farbe, der Lack hält doch nicht so ewig wie wir alle dachten. Am Ende meines morgendlichen Weg zur Arbeit stand diese Wand. Meine Wand, frei von Besitzansprüchen, eher meine Wand, Erinnerung die mit ihr verbunden waren und immer noch sind. Es hat nur ein paar Tage gedauert, erst stand nur noch die Aussenwand, dann fuhren große Baumaschinen auf dem Staub den sie selber produziert haben. Nichts ist nun mehr übrig.
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Die Stadt war vielleicht einmal bunter, gefüllter von anderen Geistern. Vielleicht ist es auch das, was jeder empfindet wenn er an die Städte seiner Jugend denkt, an die Wände, die Straßen und die Lichter. Alles ist überzogen mit süßestem Zucker aus Schmerz und der wundervollsten Art von Melancholie. Beißt man in die Erinnerung knackt es, und die Nervenenden zucken, wunderbar vom Schmerz verzerrt. Ich vermisse mich und dieser Stolz. Nun sind es Peinlichkeiten die man kaum herum erzählen möchte. Doch sie sind passiert, es gab sie, und ich halte daran fest.
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Die Stadt war vielleicht einmal bunter, gefüllter von anderen Geistern. Vielleicht ist es auch das was jeder empfindet wenn er an die Städte seiner Jugend denkt, an die Wände, die Straßen und die Lichter. Alles ist überzogen mit süßestem Zucker aus Schmerz und der wundervollsten Art von Melancholie. Beißt man in die Erinnerung knackt es, und die Nervenenden zucken, wunderbar vom Schmerz verzerrt. Ich vermisse mich und diesen Stolz. Nun sind es Peinlichkeiten die man kaum herum erzählen möchte. Doch sie sind passiert, es gab sie, und ich halte daran fest.
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