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Title: Das Verbleichen der Halle des Ruhmes
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Date: 2018-02-21 15:05
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Slug: das-verbleichen-der-halle-des-ruhmes
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Tags: graffiti, wolfsburg, essay
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Status: draft
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Veränderung ist unaufhaltbar, Es schmerzt und die Realisierung davon ist Teil des Erwachsenseins. Ein gelebter Stumpfsinn, nicht mehr das auf der Haut kleben zu haben was dort einmal war. Die Teenagerjahre, Hormone, alles intensiver wahrzunehmen. Nichts scheint ohne Grund in diese Welt, diese Stadt, materialisiert worden zu sein. Jede Stumpfheit des Lichts scheint in sommerlichen Nächten nur für einen selber, für seine Sehnsüchte, die Person die neben einem sitzt, oder es eben nicht, weil sie nichts von einem weiss. Seiner Stadt die Liebe zu erweisen die sie sonst nicht hat, das Auszudrücken in purem Vandalismus und doch nicht mutig genug alle Wände voll zu malen. Aber es gab da diese eine Wand. Schicht und Schicht wächst sich aus sich selber heraus. Lack wächst und wächst, bis das eigene Gewicht es zum Einsturz bringt.
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Mit 13-14 Jahren waren die Wände dieser Stadt Leinwände, bunt, voll mit Zeichnungen, jeder Strich schien seinen Weg vorbestimmt abzuschreiten. Ich versuchte mit meinem Nacken die Geschwindigkeit des Autos meiner Eltern in der Fahrtrichtung auszugleichen, wie einzelnen Bestandteile eines Zoopraxikops, die Bilder zu erspähen, etwas zu erkennen, einzuordnen wer dahinter stehen könnte, Orte im Kopf zu sammeln an denen ich neues entdecken konnte oder die alleinige Wiederholung des Betrachtens zu genießen. In meinem Zimmer fuhr ich die Tags mit meiner imaginären Sprühdose vor meinem inneren Auge immer wieder ab, die Bilder so bunt wie die Bilder eines Kindes.
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In einer Jugendgruppe lernte ich einen Jungen kennen. Er war 6-7 Jahre älter als ich. Er schien so unerreichbar für mich, das was er auf seinen T-Shirts trug, die Musik die er spielte und die kleinen Zeichnungen nach denen jedes Kind fragte, ließen ihn für mich auf steigen, die Bewunderung und Faszination war nicht mehr unterdrückbar. Unerklärlich das ich ihn eines Winters mal besuchte, ich meine Scham vor Menschen überwinden konnte. Ich spielte Schlagzeug und über diese Tatsache verließ ich seine Wohnung mit einem Rucksack voller CD's, alles was ihm wichtig erschien, alles was es braucht um seine Adoleszens zu überleben. Wir fingen an Musik zu machen, jeden Samstag morgen fuhr ich mit meinem Fahrrad durch den Schnee zum Proberaum. Aus dem Inhalt der CD's, dem gesagten und seiner Vision versuchte ich alles in das Schlagzeug zu hämmern was ich zu bieten hatte. Manchmal nahmen wir diese Stücke auch auf. Schrieben welche für Freunde von uns, bemalten die Papiereinlagen der Kasettenhüllen. Jeden Freitag gab es ein Treffen in einem Nebengebäude der Kirche. Wir hörten CD's, aus unseren vollgepackten Rucksäcken, eine Auswahl nur für diesen Abend, lagen auf den Sofas und schoben uns Skizzen über den Holztisch. Er zeigte mir, dass die Schatten meiner Buchstaben falsch waren. Ich nahm Platz neben ihm in seinem silbernen Golf 1, einen Discman, gelagert auf Schockabsorbierenden Schaumstoff, per Audiowandler-Kasette angeschloßen, die Musik laut, sein Fahrstil zackig den Punkrythmen, dem Schreien der Stimmen. Wir fuhren fast jeden Tag zur Hall of Fame. Diese einige Meter lange Wand in der Dieselstraße, als Teil des Aussenmauern einer Jugendwerkstatt. Auf der anderen Seite eingezäunte Müllwagen. Dort wo sich kaum einer stören konnte wenn wir Löcher in die leeren Sprühdosen schlugen, das Zischen der letzten Wolken Aerosol für das Fertigen eines Bildes uns mit stolz erfüllte. Wir parsten die Bilder beim vorbeifahren, fuhren langsam, drehten um, hielten an. Malten wir selber, verkühlten wir unsere Handflächen, im Winter, am Aluminium der Dosen. Jeden Tag der selbe Ablauf, nichts zählte an diesen Tagen mehr als diese sich wiederholenden Runden in das Industriegebiet, hinten in der Stadt. Zuhause bezeichnete ich Papier um Papier, Linie für Linie, kopierte meine Idole, erreichte sie niemals, war stolz aber nicht zufrieden. Die Second-Outlines varierten zu stark in dem inneren Abstand zu ihren bewegungsbestimmenden Linienlettern und die Fluchtpunkte der angedeuteten Schatten versagten regelmäßig. Ich denke meine Frustration über meine Unfähigkeit verblasste, sobald ich an dieser Mauer stand, zitternd, Musik die aus den runtergekurbelten Fenstern dieses silbernen Autos schallte, mein Freund neben mir, Zettel mit der Skizze in der Hand, und kein Auge für die Propertionen bei der Übertragung vom Papier auf eine Wand, auf die oberste Lackschicht von hunderten zuvor geopferten Leichen. Am Ende ein Beweisfoto, der Duft des Treibmittels überlebte den Rest des Tages in unserer Kleidung. Die Musik schien jetzt noch lauter. Abends dann noch eine Runde zur Wand, überprüfen ob das Bild den Tag überlebt hatte.
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Meine Fähigkeiten gingen immer mehr in dem Talent der Anderen unter. Ich war stolz auf sie, trotzdem gebrochen von meiner Talentlosigkeit. Eine Zugehörigkeit heilt die eigene Unsicherheit. Ich betrat jeden Wochentag den Eingang meiner Schule und die Ignorierung meiner war mir auf einmal egal. In Freistunden nahm ich den Weg zu Fuß auf mich, setzte mich nur wenige Minuten auf die Kante gegenüber, verfolgte die Linien mit meinen Augen, sammelte Eindrücke zur Führung des Fineliners auf dem Papier. Wenn man sich nicht traut nachts in schwarzen Kapuzenpullovern durch die Straßen der Stadt zu ziehen, den Rucksack gefüllt mit Dosen, die extra großen, Silber das überall deckt, Schwarz eigentlich zum Lackierung der Autounterböden, die Ruhe zwischen den Schichten im Werk und dem Schlaf des größten Teils der Bevölerkung, bleiben diese Gänge kurz vor dem Einschlafen durch die Gedanken ein Ausleben der Mitgliedschaft einer Geheimgesellschaft. Es sind Markierungen, Zeichen an der Wand und welche die sie zu schätzen wissen, projezieren eine völlig neue Ebene über dieser Stadt. Plötzlich scheinen die Wände Silber und für mich das bunteste Bunt.
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Irgendwann kamen die großen Farbspritzpistolen, durch riesige Kompressoren angetrieben, mit weißer Farbe gefüllt und zerstörten diese Liebe.
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Die Tags von MET, MOX, 3PS, die kleinen Throw Ups verblassen mehr und mehr. Aus dem Inneren heraus zerfällt ihre Farbe, der Lack hält doch nicht so ewig wie wir alle dachten.
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Die Stadt war vielleicht einmal bunter, gefüllter von anderen Geistern. Vielleicht ist es auch das, was jeder empfindet wenn er an die Städte seiner Jugend denkt, an die Wände, die Straßen und die Lichter. Alles ist überzogen mit süßestem Zucker aus Schmerz und der wundervollsten Art von Melancholie. Beißt man in die Erinnerung knackt es, und die Nervenenden zucken, wunderbar vom Schmerz verzerrt.
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